Zwingen uns weitere Richtlinien in einen neuen Webrelaunch?
Ab Oktober 2016 sind alle Mitgliedsstaaten der EU angehalten, im öffentlichen Bereich barrierefreie Websites und Internetangebote zu etablieren.
Was zunächst wie ein neues Pflichtprogramm klang, entpuppt sich für viele Website-Betreiber als Fehlschluss. Die Rede ist hier von der neuen EU-Richtlinie 2016/2021 des Europäischen Parlaments, die spätestens im Juni 2021 umgesetzt werden soll. Die Umstellung zu barrierefreien Seiten betrifft allerdings bei Weitem nicht so viele, wie vielleicht angenommen wurde – was nicht bedeuten soll, dass das Einrichten einer barrierefreien Seite bloß eine zusätzliche bzw. unerschwingliche Aufgabe darstellt.
Vorgeschrieben ist die Richtlinie für Internetanwendungen im öffentlichen Bereich. Darunter fallen alle Organisationen, denen vom Staat hoheitliche Aufgaben übertragen werden. Dazu gehören unter anderem: Fach- & Hochschulen, Universitäten, Sozialversicherungen, Sparkassen, Finanzdienste, Industrie-, Handelskammern, Rechtsanwalts- & Ärztekammern, der öffentliche Nahverkehr etc.
Private Website-Betreiber sind gesetzlich also nicht verpflichtet. Im folgenden Abschnitt soll jedoch erläutert werden, welche Vorteile die Einrichtung einer barrierefreien Website bringen kann. Der Hauptgrund für die neue Richtlinie liegt selbstverständlich darin im Internet einen gleichberechtigten Zugang und somit die soziale Inklusion für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, da niemand durch seine Einschränkung benachteiligt werden darf. Eine Bestrebung, die in Deutschland eigentlich seit 2002 im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) festgesetzt wurde. Hilfreich ist dieses Vorhaben allerdings auch für ältere Menschen mit abnehmenden Fertigkeiten oder Menschen mit temporären Behinderungen, wie z. B. Gipsarmen.
Das Prinzip der Barrierefreiheit ist also darauf ausgelegt, Website und Software so zu gestalten, dass diese sich flexibel an die verschiedenen Bedürfnisse der Nutzer und deren persönliche Situation anpassen. Damit einher gehen ein mobiles Webdesign, multi-modale Interaktion, Usability und die Geräteunabhängigkeit. All diese Punkte werden verstärkt auch zur Suchmaschinenoptimierung genutzt und sind daher essenziell für das Website-Ranking. Wenn Sie also um einen guten Platz ranken, sich unter Ihrer Nutzergruppe auch Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen befinden oder Sie diese besonders ansprechen möchten, dann wäre es angebracht über eine barrierefreie Seite nachzudenken.
Bei der Umsetzung sind folgende Maximen zu beachten: Eindeutigkeit, Einfachheit und Verständlichkeit. Es gibt einige Maßnahmen, um den Maximen und der neuen Richtlinie gerecht zu werden:
Programmierung der Website
Jede Website sollte eine eindeutige und sprechende URL verwenden, damit Bildschirmlesegeräte und Suchmaschinen die Website identifizieren können. Außerdem wird jede Unterseite mit einem zum Inhalt passenden Titel versehen. Genauso verhält es sich mit HTML-Tags, Bildschirmlesegeräte orientieren sich am HTML-Code, um die Inhalte auf einer Seite richtig interpretieren zu können, es ist also von großer Bedeutung diese Tags richtig umzusetzen.
Die Optimierung der Website in ein Responsive Design ist absolut unumgänglich, damit die Geräteunabhängigkeit gewährleistet ist.
Elemente auf der Website mit einer Zeitbegrenzung oder einer automatischen Log-out-Funktion müssen für die Bearbeitung eines Formulars oder dergleichen ausreichend Zeit zur Verfügung stellen.
Online-Dienste, die mit Überweisungen arbeiten müssen einen besonderen Wert darauf legen, dass alle Ausführungen überprüft und widerrufen werden können.
Der Aufbau und die Bedienung einer Website müssen folglich klar erkennbar sein. Die Navigation wird einheitlich und funktional gehalten.
Ergänzung der Inhalte durch Alternativen
Alle Elemente auf der Webseite benötigen eine Alternative, d.h. konkret: Bilder, Grafiken oder Fotos benötigen einen Alt-Text, der den Inhalt oder die Stimmung des Bildes für Sehbehinderte beschreibt und von Bildschirmlesegeräten erfasst werden kann.
Bei Audio-Dateien muss eine Audio-Deskription oder eine Volltext-Version für taube und hörgeschädigte User zur Verfügung gestellt werden. Das gleiche gilt bei Videos, diese müssen mit Untertiteln versehen sein und auch eine Audio-Deskription anbieten.
Texte werden in schwerer und leichter Sprache verfasst. Dem User steht es dann offen, welche Fassung er lesen möchte.
Die Eingabefelder eines Online-Formulars müssen mit Beschriftungen versehen werden, um das Formular für alle User verständlich zu machen.
Optische Umsetzung
Alle Inhalte der Webseite müssen klar erkennbar und gut lesbar sein. Schriftgröße und Kontrast müssen an diese Bedingung angepasst werden. Verlinkungen müssen so benannt werden, das der User weiß wohin in dieser Link führt. Aufführungen, wie „hier“ müssen unbedingt vermieden werden. Eine qualitativ hochwertige Website sollte diese Richtlinien, bis auf die Alternativ-Maßnahme, bereits umgesetzt haben, da sie wie schon erwähnt, einen großen Einfluss auf die Suchmaschinenoptimierung, die Reichweite und die Kundenzufriedenheit haben.
Abschließend bleibt zu betonnen, dass die EU-Richtlinie 2016/2021 nicht für alle eine Pflicht darstellt, aber für jeden eine Option sein sollte, seine eigene Website zu optimieren und es anderen Menschen auf der Welt leichter zu machen.
etcetera unterstützt Sie gerne bei der Einrichtung einer barrierefreien Seite und hilft Ihnen dabei Ihre Reichweite zu verbessern.
Die vollständige Verordnung BITV 2.0 mit konkreten Handlungsanweisungen für Barrierefreiheit im Web finden sie unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bitv_2_0/BJNR184300011.html
(geschrieben von Angelina Langohr für etcetera;
Foto: Charles on Unsplash)